Das pädagogische Konzept wurde im Januar 2022 gemeinsam vom Organisationsteam der Jugendsommer-Freizeiten geschrieben.

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Freizeitbeschreibung

Die Freizeit findet einmal im Jahr in den bayerischen Sommerferien statt. Sie ist ausgerichtet auf jugendliche Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Beeinträchtigung im Alter von ca. 12-18 Jahren.

Für die Freizeit beziehen wir ein barrierefreies Jugendhaus, welches bestimmten Anforderungen gerecht werden sollte. Wir legen Wert auf eine naturbelassene Lage. Im besten Fall hat das Haus eigene Grünflächen und eine Lagerfeuerstelle und verfügt im Optimalfall über eine Turnhalle für sportliche Aktivitäten. Die Teilnehmenden beziehen meist zu zweit ein Zimmer. Die Zimmer sollen zudem über ein jeweils eigenes Badezimmer verfügen. Des Weiteren legen wir Wert auf einen großen Gruppenraum, den wir bei schlechtem Wetter für gemeinsame Aktivitäten nutzen können.

Die Freizeit findet meistens im Raum Südbayern statt und dauert ca. 2 Wochen plus Einführungstage für die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen. In den Einführungstagen lernen die Mitarbeiter*innen sich als Team kennen, lernen wichtige pflegerische Tätigkeiten, den Umgang mit herausfordernden freizeittypischen Situationen, bekommen eine Einführung in das pädagogische (Betreuungs-)Konzept der Freizeit und setzen sich mit den Vorstellungsbögen der Teilnehmenden auseinander. Nachdem die Teilnehmenden angereist sind, folgen zwei Wochen voller Action, Ausflüge, Wanderungen, Gruppenaktivitäten, Motto-Tagen und Planspielen. Von Sommerrodeln über Schwimmen gehen bis hin zum gemeinsamen Singen am Lagerfeuer kann hier alles dabei sein. Viele Aktivitäten finden draußen in der Natur statt. Die Freizeit folgt erlebnispädagogischen Aktivitäten, bei denen sich viel gemeinsam bewegt wird.

Die Freizeit inklusive ihrer Aktivitäten ist darauf ausgerichtet, dass jede*r die Möglichkeit bekommt, gleichberechtigt am kompletten Tagesgeschehen inklusive aller Aktivitäten teilhaben zu können. Jede*r Teilnehmer*in bekommt im täglichen Wechsel hierzu eine*n Betreuer*in an die Seite gestellt, die*der die*den Teilnehmer*in in ihrem*seinem Alltag unterstützt.

Die ganze Freizeit wird zudem von sicherheits- und strukturgebenden Ritualen begleitet. Demnach gibt es selbsterarbeitete Lieder für den Morgen, für die Essenssituation und für das Schlafengehen. Zudem gibt es eine Morgenrunde und eine Abendrunde, in der gemeinsam gesungen wird, einen Ausblick auf den Tag gegeben oder der Tag reflektiert wird sowie Wünsche und Kritik aus dem Plenum aufgegriffen werden.

Abends findet jeden Tag zudem noch eine Teambesprechung statt. Hier wird der komplette Tag pädagogisch und als Ganzes reflektiert. Es werden besondere Vorkommnisse des Tages im Team besprochen und es wird über die Befindlichkeiten, Wünsche und Anregungen der Teilnehmenden gesprochen. Zudem wird der nächste Tag, der immer von meist zwei Mitarbeitenden geplant und vorbereitet wird, besprochen.

Zielgruppe

Unsere Freizeit richtet sich an Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren, mit einem Spielraum nach oben und unten. Alle Teilnehmer*innen haben eine geistige, körperliche oder Mehrfachbehinderung. Menschen, welche auf Behandlungspflege angewiesen sind, können aufgrund fehlender Ausbildung der Betreuer*innen nicht teilnehmen.

Betreuer*innen sind ehrenamtliche mit und ohne professionellem Hintergrund. In der Regel sind es Schüler*innen, Auszubildende, Student*innen und arbeitende Menschen, welche für die Freizeit aus ganz Europa, hauptsächlich aber aus Deutschland und Ungarn, für die Freizeit anreisen.

Ziele: Warum gibt es die Freizeit?

Unsere Freizeit soll in erster Linie den Jugendlichen die Möglichkeit bieten Urlaub ohne ihre Familien zu machen und dabei Erfahrungen zu sammeln, die außerhalb ihrer Alltagsroutine liegen. Dabei legen wir besonderen Wert auf eine altersentsprechende Freizeitgestaltung. Wir lassen uns also von der Frage leiten, wie Jugendliche gerne ihre Ferien verbringen und beziehen die Wünsche der Teilnehmenden sowie eigene Erfahrungen bzw. Erinnerungen in die Programmplanung ein.

Besonders wichtig ist uns das Leben in der Gemeinschaft und das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen. Dazu gehört es, Kontakte zu Gleichaltrigen zu knüpfen, voneinander zu lernen, gemeinsam etwas zu schaffen, aber auch zu üben Rücksicht zu nehmen und die eigenen Bedürfnisse zu Gunsten des Gemeinwohls zurückzustellen.

Ganz nebenbei wird durch die Freizeiten der Ablösungsprozess vom Elternhaus angebahnt. Die Jugendlichen erleben sich außerhalb ihres gewohnten Umfelds und lernen sich mit unterschiedlichen Menschen zu arrangieren.

Ein weiteres Ziel unseres Freizeitangebots ist es die Familien und gegebenenfalls pflegende Angehörige zu entlasten. Wir wünschen Eltern, Geschwistern und anderen Angehörigen, dass sie die Zeit finden sich einmal ganz auf sich zu konzentrieren, Abstand vom oft stressigen Alltag zu nehmen, selbst Urlaub zu machen und wieder neue Kraft zu tanken. Daher hoffen wir, dass sowohl die Jugendlichen auf der Freizeit als auch die Daheimgebliebenen von unseren Angeboten profitieren.

Unsere Freizeit wird durch ein Team von ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen begleitet. Dadurch wollen wir Menschen, auch ohne Vorerfahrung, die Chance bieten in ein pädagogisches und pflegerisches Handlungsfeld hineinzuschnuppern. Erfahrene Mitarbeitende und eine ebenfalls erfahrene Leitung bieten die dafür notwendige Anleitung und Unterstützung und begleiten das Team mit Gesprächs- und Reflexionsangeboten. Auch möchten wir die Möglichkeit bieten sich die Mitarbeit als Praktikum für Ausbildung oder Studium anrechnen zu lassen.

Dennoch ist es uns wichtig, dass sich die jugendlichen Teilnehmer*innen und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen als möglichst gleichberechtigte Gruppe wahrnehmen, die gemeinsam einen Urlaub verbringen. Es handelt sich nach unserem Verständnis bei der Mitarbeit also nicht um Arbeit im klassischen bzw. institutionellen Sinn, sondern vielmehr um ein sich Einlassen auf das Zusammenleben in einer inklusiven Gemeinschaft.

Handlungsgrundsätze: Wie gehen wir miteinander um?

  • Betreuungskonzept

Die Teilnehmer*innen und Eltern werden mit einem Empfangsgespräch durch die Leitungsperson(en) begrüßt und machen eine Übergabe an die Pat*innen. Dies sind Personen, welche sich während des Gesprächs zu Expert*innen für den oder die jugendliche Teilnehmer*in schulen lassen.

Die Betreuung findet während der Freizeit in einem Verhältnis von 1 zu 1 bzw. von 2 Mitarbeitenden zu 3 Teilnehmenden statt. Sie funktioniert in einem Wechselsystem. Das heißt, dass die Teilnehmer*innen die einzelnen Tage mit verschiedenen Mitarbeiter*innen verbringen und so die Möglichkeit haben viele neue Menschen kennenzulernen.

Für die durchzuführenden Grundpflegeaufgaben werden die Betreuer*innen entsprechend von den Leitungsteamer*innen geschult. Die Pflege findet ausschließlich gleichgeschlechtlich statt.

In außergewöhnlichen Situationen werden die Mitarbeitenden von den Leitungsteamer*innen unterstützt.

Neben den Mitarbeitenden, die die tägliche Begleitung der Teilnehmenden übernehmen, gibt es Menschen, die das Programm planen und die Tagesmoderation übernehmen. Sie leiten Morgen- und Abendrunde und helfen dabei dem Tag Struktur zu geben.

Außerdem gibt es Nachtwachen bzw. Nachtbereitschaften aus dem Kreis der Betreuer*innen, deren Aufgabe es ist eine Ansprechperson für Teilnehmer*innen zu sein, epileptische Anfälle mitzubekommen und zu begleiten sowie bei Heimweh und sonstigen nächtlichen Vorfällen zu helfen.

Nach der Abendbesprechung des Mitarbeitendenteams gibt es Übergaben, bei welchen die Mitarbeiter*innen alle wichtigen Informationen für die Betreuung des*der Teilnehmenden am nächsten Tag bekommen.

Am Ende der Freizeit gibt es wieder ein Gespräch, an dem der*die Teilnehmer*in seine*ihre Eltern, der*die Pat*in sowie die Leitungsperson(en) teilnehmen, bei welchem eine weitere ausführliche Übergabe stattfindet.

  • Werte und Normen / pädagogische Haltung

Ein wertschätzender und offener Umgang miteinander zählt zu unseren pädagogischen Grundwerten. Dazu gehören selbstverständlich eine zugewandte Sprache, physische und psychische Gewaltfreiheit, Gesprächsbereitschaft, eine selbstkritische Reflexion des eigenen Handelns, Ehrlichkeit sowie ein bewusster Umgang mit Nähe und Distanz.

Wir legen großen Wert auf Selbst- und Mitbestimmung und orientieren uns dabei an demokratiepädagogischen Ansätzen. Alle Mitglieder der Gruppe werden gehört und mit ihren Bedürfnissen ernst genommen. So sollen sich beispielsweise alle in der Programmgestaltung wiederfinden, frei über einen Teil ihres Taschengeldes verfügen und die Sicherheit haben auch unangenehme Themen und Probleme ansprechen zu können. Dabei ist es selbstverständlich, dass die eigene Selbstbestimmung dort aufhört, wo Andere oder die eigene Person gefährdet oder Regeln bzw. Gesetze verletzt werden. Auch empfinden wir es als wichtige Lernerfahrung sich auf das Leben in einer Gemeinschaft einzulassen und eigene Bedürfnisse zurückzustellen. Hierzu gehört es zum Beispiel das Ergebnis einer Abstimmung zu akzeptieren.

Wir verstehen uns als weitestgehend gleichberechtigte Gruppe. Auch wenn sich zwangsläufig eine gewisse Hierarchie ergibt, da die Mitarbeitenden während der Freizeit natürlich die Verantwortung für die teilweise minderjährigen und schutzbedürftigen Teilnehmenden übernehmen und sie bei der Bewältigung ihres Alltags in pädagogischer und pflegerischer Hinsicht unterstützen. Hier gilt es eine gute Balance zu finden.

Alle sollen sich während der Freizeit sicher und gut aufgehoben fühlen. Wiederkehrende Rituale und eine transparente Tagesstruktur sollen, neben der bereits angesprochenen Wertschätzung und Achtsamkeit, dazu beitragen, das Sicherheitsgefühl zu erhöhen und Orientierung in der häufig neuen und noch unbekannten Umgebung zu bieten.